Interviews

Yogalehrerin Jelena Lieberberg im Interview

7. Januar 2015
Jelena Lieberberg

In ihrem früheren Leben moderierte Jelena Lieberberg für den Musiksender VIVA und tourte als Sängerin durch die Weltgeschichte. Heute lebt sie als Yogalehrerin, Heilpraktikerin, Sprecherin und Autorin mit ihrer Familie in Berlin. Dort unterrichtet sie einen fordernden Vinyasa Stil bei Spirit Yoga. Seit 2014 verbindet Jelena Yoga und Athleten: Yoga für Crossfitter. Jelena ist eine ruhige und angenehme Persönlichkeit, die mit ihrer Klarheit, Authentizität und ihrem Wissen über den Körper beeindruckt. Ich traf sie zum Gespräch.

Wie startest du in den Tag?

In einer Schulwoche beginnt der Tag relativ hektisch: alle müssen aufstehen, der Hund muss raus, die Kinder müssen dazu motiviert werden sich selbst anzuziehen, die Snackboxen werden gepackt und es wird gefrühstückt. Nachdem die Kids dann in der Schule sind, gehe ich mit dem Hund eine grosse Runde, auf die ich mich dann richtig freue, weil ich dabei beginnen kann meine noch müden Glieder mit simplen Übungen im Freien in Bewegung zu bringen. Ich mag die kühle Luft am Morgen, auch wenn Landluft wahrscheinlich ein kleinwenig besser schmeckt.

Was inspiriert dich und was kannst du überhaupt nicht leiden?

Am meisten inspirieren mich reale Geschichten. Wenn Menschen aus Situationen von denen sie glauben, sie wären nicht zu meistern, oder in einer emotionalen Sackgasse stecken, es dann doch „against all odds“ schaffen sich aufzurappeln, eine neue Perspektive zu sehen, etwas zu verändern und durch diesen Entwicklungsprozess einfach zu starken Persönlichkeiten „mutieren“.

Dabei spielt Authentizität eine grosse Rolle. Falsch sein, etwas vorspielen, um den heissen Brei reden, das finde ich im menschlichen Umgang verwirrend und irritirend, da man garnicht weiss woran man ist, wenn einem immer etwas vorgegaukelt wird. Wo wir wieder beim Yoga landen: die Wahrheit, Satyam, ist ja ein grundlegendes Thema.

Jelena Lieberberg

Viele Yogalehrerinnen schaffen sich ein Image der durchlässigen, ewig sanften Fee. Warum ist das so?

Gute Frage. Ich denke was dazu beiträgt, ist das Klischee der ewig entspannten, flexiblen, schwebenden Yoga Tante. Manche Schüler wollen leider eben genau das, da es ihrer Erwartung entspricht und bestätigt dass Yogalehrerinnen entweder einen Eso- Knall haben oder übermenschliche Kräfte besitzen mit denen sie Stress an sich abprallen lassen. Viele Yogalehrerinnen schlüpfen erstmal in diese Rolle, um dann, hoffentlich irgendwann, aufzublühen und sich selbst als Yogalehrerin ausleben zu können.

Du hingegen wirkst sehr authentisch und bodenständig….

Haha. Danke. Das höre ich mittlerweile öfter und freue mich darüber, da es mir zeigt, dass ich auf dem richtigen Weg bin. Vielleicht liegt es am Sternzeichen oder der Stellung des Mondes, aber ich funktioniere in meinen vielen täglichen Aufgaben einfach besser, wenn ich geerdet bin, mich gut ernähre und mit beiden Füssen, sinnbildlich gesprochen, auf dem Boden stehe. Das gelingt mir allerdings nur wenn ich wirklich Ich bin. Das bedeutet zum Beispiel, dass ich mich ungern an äusserliche Normen oder Etiketten halte.

Damit meine ich jetzt nicht sowas wie, sich vor dem Essen die Hände zu waschen. Das ist sinnvoll und vermittle ich meinen Kindern auch. Was ich meine sind eher so Sachen wie zum Beispiel: „Dress to impress“ also unpraktisch und nicht dem Wetter angepasst. Im Winter um den Gefrierpunkt lieber frieren und dafür „modisch, feminin, adrett“ ausschauen, kommt mir nicht in die Tüte. Da bin ich im Alltag dann eher sportlich, in Baggypants und Nierenwärmer unterwegs, was für manche vielleicht nach aussen hin nicht lady-like genug wirkt.

Jelena Lieberberg

Was bedeutet für dich Yoga?

Yoga ist so viel und dennoch nicht alles. Da kann man sich schon mal leicht in der Asana Praxis verirren. Yoga findet ja nicht nur auf der Matte statt sondern im Prinzip in jedem Augenblick. In jedem Augenblick hat man die Chance bewusst (was natürlich viel anstrengender ist) zu sehen und zu agieren oder sich seinen Hormonen, Adrenalin hinzugeben und von ihnen diktieren zu lassen wo es lang geht.

Da wird es wieder knifflig zu differenzieren: kämpfe ich dann gegen mich selbst? Ja. Und genau da setzt der Yogagedanke ein: es sollte kein Kampf sein, sondern eben ein miteinander. Körper, Seele und Geist auf einen Nenner zu bekommen bedeutet: Wenn ich eine Stunde lang gesessen habe, muss ich auf die Signale meines Körpers hören, und aufstehen und mich strecken oder ein Glas stilles Wasser trinken, um meine Akkus wieder aufzuladen.

Machen deine Kinder Yoga?

Ja, aber nicht Vinyasa Style mässig sonder eher so wie sie lustig sind. Die Große übt täglich spielerisch Handstand und Rückbeugen, einfach weil ihr danach ist und ist dadurch mein Vorbild und inspiriert mich wieder dazu mich noch mehr zu bewegen.

Jelena Lieberberg

Was sagst du zum Thema Feminismus?

Wenn ich darüber nachdenke bin ich natürlich für Gleichberechtigung, Menschenwürde und gegen jegliche Formen von Sexismus. Ich finde Johanna Dohnals Idee des Feminismus gut, dass nämlich ihre „Vision des Feminismus“ nicht eine weibliche Zukunft, sondern eine menschliche ist.

Ohne Rollenzwänge, ohne Macht- und Gewaltverhältnisse, ohne Männerbündelei und Weiblichkeitswahn. Da sind wir als Gesellschaft schon ein Stück weiter als vor 100 Jahren, es wird wahrscheinlich aber noch die ein oder andere Dekade brauchen bis diese Vision auch nur annähernd verwirklicht werden kann.

Du machst irre viel Sport. Was machst du genau, um fit zu bleiben?

Der Trick ist: Sport zu machen, ohne dabei zu denken dass man Sport macht um fit zu bleiben. Ich bewege mich einfach gern, ich lasse fliessende Bewegungen zu, die entweder auf der Matte statt finden und im Yoga Kontext stehen oder beschäftige mich mit Olympischem Gewichtheben, Kettlebelltraining und Crossfit. Ich hänge mich gerne wie ein aktives Faultier an einen Ast oder an ein Metallgerüst und probiere mich an Klimmzügen und Calisthenics Bewegungselementen aus, bei denen nur mit Hilfe des eigenen Körpergewichts trainiert wird. Die Körperbeherrschung dabei fasziniert mich total.

 

Jelena Lieberberg

Deine Pläne für 2015? Verrätst du uns deine Träume?

Oh, da habe ich tatsächlich viel vor. Ich werde mehr schreiben, unter anderem habe ich begonnen meinen eigenen Blog auf meiner Homepage zu schreiben, Reisen und Workshops geben, eine neue Yoga DVD rausbringen und bin auch sonst für alle Abenteuer offen, die noch kommen mögen.

Ich frage dich nicht nach den Bedeutungen deiner Tattoos. Ich würde aber zu gern wissen, wann du damit angefangen hast und wer für deine Kunstwerke verantwortlich ist.

Das finde ich sehr nett von Dir, da ich über die Bedeutungen schon so oft was erzählt habe, dass dabei die Geschichte drum herum und die Künstler immer unter den Teppich gekehrt werden.

Mit 10 Jahren habe ich Tätowierungen das erst Mal so richtig wahr genommen, mit der Reaktion verbunden: das macht man nicht. Mit 17 habe ich mich dann mitreissen lassen, weil sich Freunde meines Bruders ihre ersten Sachen machen liessen und bin dann auch mit meiner ersten Tätowierung in einem Laden gelandet, in den ich heute keinen Fuss mehr setzen würde.

Im Nachhinein finde ich 17 zu jung, ab 20 kann man wahrscheinlich erst gescheite Entscheidungen treffen ob man diesen Weg gehen möchte, der mehr, als nur eine Modeerscheinung ist. Viele Tätowierungen stammen aus meiner Heimat, dem Ruhrpott,  von Olaf und Hennes von True Love Tattoo in Düsseldorf, ein Paar sind von Patrick Conlon von Speak Easy Tattoo in NYC, und in Berlin von Christoph Aribert aus dem Ernte Shack.

Jelena Lieberberg

Ein Zitat, eine Weisheit, die dich in einer Sinnkrise wieder aufmuntert?

„Knowledge speaks, but wisdom listens.“ – von Jimi Hendrix – Ich weiss jetzt garnicht ob mich dieses Zitat in einer Sinnkrise aufmuntern würde, aber es würde mir in so Ruhe vermitteln, im Sinne von: „Halt die Klappe! und lass zu, was auch immer Du in diesem Moment versuchst auszublenden.“

Deine absolute Knüller Asana? Und warum?

Ich bin totaler Inversions-Freak. Ich liebe es die Welt um zu drehen und für einen Augenblick die Schwerkraft scheinbar aufzuheben. Pinca Mayurasana aber auch Adho Mukha Vriksasana gehören natürlich dazu. Die Haltung allerdings, die für mich der absolute Knüller ist, ist überraschenderweise Adho Mukha Svanasana.

Eine Basic Asana, die überhaupt nicht simpel ist und sich jeden Tag anders anfühlt und mich wirklich jedes Mal auf‘s neue lehrt geduldig zu sein und es manchmal auch einfach gut sein zu lassen.
Merci, Jelena!

Mehr von Jelena findet ihr hier:

www.instagram.com/jelenayoga

fotocredits: Patrick Meinart und Wari Om 

Madhavi Guemoes
Madhavi Guemoes dachte mit 15, dass sie das Leben vollständig verstanden habe, um 31 Jahre später zu erkennen, dass dies schier unmöglich ist. Sie arbeitet als freie Autorin, Aromatherapeutin, Podcasterin, Bloggerin und Kundalini Yogalehrerin weltweit und ist Mutter von zwei Kindern. Madhavi praktiziert seit mehr als 30 Jahren Yoga - was aber in Wirklichkeit nichts zu bedeuten hat.
Madhavi Guemoes on EmailMadhavi Guemoes on FacebookMadhavi Guemoes on Instagram
  • Sisasilke
    7. Januar 2015 at 23:40

    Tolles Interview! Sehr interessant, sehr inspirierend. Freue mich immer, neue Persönlichkeiten kennenzulernen. Danke!

  • Kaja Stefanija
    24. Januar 2015 at 16:11

    Ich habe eine DVD von Jelena und liebe ihre fließenden Bewegungen, schönes Interview. Happy Day.

Leave a Reply